Barrierefreies Wohnen ist durch die geführte Debatte um Inklusion und den demografischen Wandel aktueller denn je. In öffentlichen Einrichtungen und Gebäuden ist das hindernisfreie Bauen in der Schweiz nicht nur nicht wegzudenken, sondern voraussetzend für die Baubewilligung. Aber auch zunehmend private Haushalte müssen sich mit der Thematik auseinandersetzen.
Wer noch gut auf den Beinen ist, macht sich vermutlich weniger Gedanken um rollstuhlgerechtes, barrierefreies Wohnen. Jedoch können durch Unfälle, Krankheiten oder Besuchende mit Behinderungen schnell neue Anforderungen entstehen. Zudem ist es auch im Alter wichtig, barrierefrei zu leben. In diesem Beitrag beleuchten wir die zunehmende Relevanz des barrierefreien Wohnens für die breite Bevölkerung und was das für Sie und Ihr Immobilienvorhaben bedeutet.
Warum ist barrierefreies Wohnen so wichtig?
Barrierefreies Wohnen meint das Wohnen ohne Hindernisse. Denn für Menschen im Rollstuhl, aber auch für Eltern mit Kinderwagen sind bereits einfache Treppenstufen eine oft schwierige Barriere. Stolperschwellen, schmale Türrahmen, unerreichbare Schalter und Steckdosen oder Oberschränke auf der falschen Höhe sind weitere Erschwernisse für viele Menschen – seien es Besuchende, Ihre Eltern, Ihre Mieter oder auch Sie selbst in einigen Jahrzehnten.
Mit dem hindernisfreien Bauen ist das Bauen für alle gemeint. Denn nur so ist es allen Menschen möglich, mobil zu sein und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Öffentliche Gebäude und Anlagen sind aufgrund der gesetzlichen Lage in der Schweiz bereits barrierefrei gestaltet, aber es gibt gerade im privaten Bereich noch viel Aufholbedarf.
Auch demografische und gesellschaftliche Veränderungen machen das hindernisfreie Bauen in der Schweiz und in anderen Ländern immer wichtiger. Denn die individuellen Wünsche und persönlichen Anforderungen verändern sich mit der Zeit. Wir leben in einer «Silver Society», in der immer mehr ältere Menschen sehr lange in den eigenen vier Wänden leben. Diese Entwicklung ist zum einen für die Bewohner von Vorteil, die länger selbstständig leben, entlastet aber auch die Gemeinden finanziell erheblich. Damit das auch Ihnen später möglich ist, sollten Sie schon früh an das altersgerechte Wohnen denken, von Hauseingang ohne Stufen über eine Duschabtrennung mit Schiebetür in barrierefrei bis hin zum behindertengerechten Parkplatz.
Ein wichtiger Grundsatz beim hindernisfreien Bauen besteht darin, statt Sonderlösungen ein grundsätzliches Umdenken beim Bauen zu veranlassen. Neu- und Umbauten sollten automatisch für alle Menschen zugänglich und nützlich sein. Denn eine hindernisfreie, inklusive Welt kommt allen Menschen zugute. Genau aus diesem Grund ist in vielen Schweizer Gemeinden oftmals genau dies bereits eine Auflage für eine Baubewilligung.
Welche gesetzlichen Regelungen gibt es in der Schweiz?
In der Schweiz gelten im öffentlichen Raum sowie im Wohnungsbau Regeln für ein hindernisfreies Umfeld. Dabei ist auf Bundesebene das Gesetz zur Gleichstellung von Behinderten (BehiG) wichtig, da es Mindeststandards vorgibt. Die Kantone dürfen noch weitere, strengere Vorgaben zum Bau von rollstuhlgerechten, barrierefreien Häusern machen.
Hinzu kommt die wichtige Norm «Hindernisfreie Bauten» vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein SIA. Diese Norm mit der Nummer SIA 500 ist seit dem 1. Januar 2009 in der Schweiz gültig. Sie löst die seit 1988 gültige Norm «Behindertengerechtes Bauen» ab. Mit dem Namenswechsel soll ausgedrückt werden, dass SIA 500 mit den Vorschriften zum barrierefreien Wohnen der Allgemeinheit dient.
Die SIA Norm in der Übersicht: Diese Norm wurde von den massgeblichen Fachstellen und Behindertenorganisationen in der Schweiz erarbeitet. Sie soll nicht nur Speziallösungen für behinderte Menschen durchsetzen, sondern zudem die gebaute Umwelt von Hindernissen befreien und somit für alle zugänglich und benutzbar machen. Somit trägt die Norm SIA 500 auch der wachsenden Alterung der Gesellschaft Rechnung.
Aber: Bis heute wissen vier von zehn Architekten in der Schweiz nicht, dass hindernisfreies Bauen gesetzlich vorgeschrieben ist, wie eine Untersuchung des Psychologischen Instituts der Universität Zürich zeigte. Entsprechend wird das hindernisfreie Bauen oft als freiwillige Massnahme wahrgenommen, was aber nicht gerechtfertigt ist.
Wie sieht barrierefreies Wohnen konkret aus?
Laut SIA 500 soll das barrierefreie, hindernisfreie Wohnen sowohl Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit als auch besonders grossen und kleinen Menschen, Kindern, Menschen mit Gehhilfen oder Kinderwagen, Blinden und Sehbehinderten dabei helfen, sich frei bewegen zu können.
Obwohl Eigenheime zwar von den Vorgaben zum Bau ohne Hindernisse ausgenommen sind, ist es dennoch sinnvoll, insbesondere bei der langfristigen Nutzung von Wohneigentum die Regelungen zu respektieren. Dies trägt nicht nur zur eigenen Absicherung bei, sondern beeinflusst die Wertentwicklung der Immobilie zusätzlich positiv.
Die folgenden Massnahmen machen ein barrierefreies Haus aus:
- Übersichtliche, grosszügige Raumanordnung auf einer Ebene (barrierefreier Wohnungsgrundriss)
- Einbau eines rollstuhlgeeigneten Aufzugs
- Rollstuhlwendebereiche mit einem Aufzug von 140 cm
- Ebene Bewegungsflächen ohne Höhenunterschiede
- Hauseingang mit Rampe oder Hauseingang ohne Stufen
- Robuste Bodenbeläge mit geringem Rollwiderstand wie Laminat oder Fliesen
- Ausreichend hohe und mindestens 100 cm breite Türen und Durchgänge
- Tastkaten und Griffe auf der richtigen Höhe
- Bodengleiche, mit dem Rollstuhl befahrbare Dusche mit Duschsitz
- Unterfahrbare Waschtische
- Haltegriffe an den Sanitärobjekten
- Flexible, anpassbare Kücheneinrichtung mit höhenverstellbaren Elementen
- Gebäudeautomation durch Smart-Home-Technologie mit Steuerung aus der Distanz
- Rollstuhlgeeigneter, barrierefreier Zugang zum Haus von der Garage, Terrasse oder dem Balkon aus
Lesen Sie sich hier Auslegung und Übersicht zur SIA Norm 500 durch. Zudem finden Sie auf der Seite hindernisfreie-architektur.ch eine Übersicht der SIA Normen. In jedem Kanton gelten noch weitere Vorgaben
Wie viel kostet das hindernisfreie Bauen?
Wenn man seine Immobilie von Anfang an hindernisfrei plant, ist der barrierefreie Bau kaum teurer. Umso früher sie eingebaut wird, desto günstiger ist es. Denn dann kostet das hindernisfreie Bauen laut einer Nationalfonds-Studie nur 1,8 Prozent der Bausumme. Zu beachten ist auch, dass nur ein Drittel der Massnahmen insbesondere für ältere Menschen oder Menschen mit einer Behinderung sinnvoll sind – alle anderen eigenen sich für alle Menschen.
Die genauen Kosten für den barrierefreien Zugang zum Haus oder zur Wohnung lassen sich nicht angeben, da es sich je nach Bau und Ansprüchen und stark voneinander abweichende Zahlen handelt kann. Lassen Sie sich daher am besten von einem erfahrenen Architekten beraten, um das barrierefreie Bauen möglichst günstig zu gestalten.
Übrigens: In vielen Kantonen gibt es Fördermittel für das barrierefreie, altersgerechte Wohnen. Informieren Sie sich bereits in der Planungsphase über die Möglichkeiten für einen barrierefreien Wohnungsgrundriss. Idealerweise betragen die Kosten für den Mehraufwand weniger als zwei Prozent der Gesamtsumme.
Welche Möglichkeiten haben Mieter, die auf hindernisfreies Wohnen angewiesen sind?
Häufig kommt es vor, dass sich Ihre Anforderungen an bestehenden Wohnraum verändern, zum Beispiel durch einen Unfall. Mieterinnen und Mieter dürfen in der Schweiz nur mit schriftlicher Zustimmung des Vermieters Umbauten an der Wohnung vornehmen. Überlegen Sie daher gemeinsam mit dem Vermieter, was in Frage kommt, und regeln Sie dies schriftlich. Das gilt vor allem auch für die Frage, ob die Massnahmen beim Auszug wieder rückgängig gemacht werden müssen.
Falls die Mietwohnung im Zuge der barrierefreien Ausbaumassnahmen beim Auszug einen Mehrwert aufweist, können Sie als Mieter dafür sogar eine Entschädigung vom Vermieter verlangen – vorausgesetzt, Sie haben dafür eigene Kosten gehabt.
Bauliche Anpassungen werden in der Schweiz oft von der Schweizerischen Invalidenversicherung (IV) bezahlt. Diese kümmert sich um einfache und zweckmässige Hilfsmittel für Gehbehinderte. Dazu gehören bauliche Anpassungen in der Wohnung sowie im Haus, wobei auch hier gilt, dass der Vermieter sein Einverständnis geben muss. Minimale Eingriffe wie etwa den Hauseingang mit Rampe zu gestalten, dürften kein Problem darstellen.
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